Tim Müller zur Geschichte der Forster Textilindustrie Die Mitglieder der Niederlausitzer Gesellschaft für Geschichte und Landeskunde e.V. hatten das neuste Heft zu Weihnachten im Briefkasten. Der Stadt Forst(e) ist nicht nur die Grafik auf dem Umschlag gewidmet, sondern ein über 40seitiger Artikel von Tim Müller, der wichtige Etappen der historischen und wirtschaftlichen Entwicklung von Forst darstellt und besondere Aufmerksamkeit verdient.
Müller gehört nicht zu den üblichen Verdächtigen, die sich dem Thema Forst/Textilindustrie angenommen haben. Von daher darf man gespannt sein.
Hier schon eine erste Rezension aus: SORAUER LAND und NIEDERLAUSITZ Newsletter. Ausgabe Nr. 59 (dt.) Januar 2021
Zum Beitrag von Tim Müller über Forst Im Eingangskapitel stellt der Autor fest: „Nur wenige Mediatstädte des Alten Reiches können für sich beanspruchen, den Sprung von der adlig und agrarisch geprägten Landstadt hin zu einer Industriestadt vollzogen zu haben. Die Stadt Forst (Lausitz) gehört zweifellos zu ihnen. Doch wie gestaltete sich dieser Transformationsprozess der Mediastadt der Grafen von Brühl auf Pförten, die 1789 lediglich 241 Häuser und 1.400 Seelen zählte, hin zum „deutschen Manchester“ in der Lausitz, deren Einwohnerzahl sich allein bis 1875 verzehnfachen sollte?“ Der vorliegende Beitrag skizziert für den Zeitraum ab 1750 den Industrialisierungsprozess… Im Vordergrund stehen die Akteure und die wirtschaftlichen und naturräumlichen Rahmenbedingungen…“ Weiter heißt es: „Nukleus sämtlicher gewerblicher Aktivitäten stellte in Forst (Lausitz) das Tuchmacherhandwerk dar. Dies kann… auf eine mehrhundertjährige Tradition zurückblicken und war vermutlich durch Tuchmacher, die aus den Niederlanden und vom Niederrhein herstammten, begründet worden.“ Sehr detailliert geht Müller auf die Etappen der wirtschaftlichen Entwicklung und ihrer Produktionsstätten ein, stellt die Vorteile der Wasserläufe in der Stadt dar, kommt auf die „Schwarze Jule“ zu sprechen, das gut ausgebaute Eisenbahnnetz, die Nähe zu den Braunkohlegruben bei Gr. Kölzig, Döbern und Wolfshain, die Arbeitskräfteströme aus der Umgebung, das Lohnsystem und – sogar die Anfänge eines städtischen Museums.. Der Autor schildert in groben Zügen die Änderungen im Produktionsprozess, die weitgehend von der politischen Situation und den wirtschaftlichen Erfordernissen, z.B. der beiden Weltkriege und ihrer Folgen, der Inflation, Weltwirtschaftskrise und weiterer einschneidender Änderungen abhingen – bis hin zur Verstaatlichung der Forster Textilbetriebe in der DDR-Zeit und dem (fast vollständigen) Ende der Textilproduktion in der Lausitz und damit in Forst Der „Zusammenfassung“ durch den Autor entnehmen wir einige Fetstellungen und Überlegungen. „Wenn die wirtschaftliche Hochblüte der Stadt Forst (Lausitz) heute über ein Jahrhundert zurückliegt, so ist es zweifellos mehr als eine beeindruckende Episode regionaler Wirtschaftsgeschichte“ Die Stadt Forst zeige, dass selbst adlige Mediatstädte zu einer grundlegenden industriellen Transformation in der Lage waren. Dass sich die Hochspezialisierung als „strukturelle Crux“ erwies, sei eine „spezifische Erkenntnis der jüngsten Vergangenheit“. Vielleicht brauche es, so der Autor, einige Zeit, um „eingetretene Pfade zu verlassen und – wie im späten 18. Jahrhundert geschehen - erfolgreich neue Chancen zu nutzen“.